"Diese tropische Farbigkeit hat mein Weltbild verändert."

(Fritz Steisslinger)


1934: Erste Brasilienreise

Die heraufdämmernde NS-Zeit lässt für Steisslinger und seine Künstlerkollegen nichts Gutes erhoffen. In innerem Widerstand zu den politischen Verhältnissen denkt Steisslinger an eine Emigration nach Brasilien, wo seine Ehefrau geboren war und ihre Familie lebt. Zur Erkundung des Landes reist er 1934 für fünf Monate nach Brasilien. Im April 1934 erreicht er Porto Alegre, wo ihn sein Schwager Eberhard Haasis erwartet.

 

Von hier bricht er einige Wochen später über Florianopolis nach Rio de Janeiro auf. Steisslinger lernt dort Theodor Heuburger, den Leiter der als Mittler zwischen Europa und Brasilien gegründeten Initiative "Pro-Arte" kennen und kann in Rio den künstlerischen Ertrag seines bisherigen Brasilien-Aufenthalts in seiner ersten Einzelausstellung öffentlich präsentieren.

 

Der überbordende Reichtum der Eindrücke und die tropische Farbigkeit steigern Steisslingers malerische Sensibilität. Es entstehen Landschaften mit atmosphärischer Weite und intensiven Farben. Zur Belebung der Szenerien setzt er oft kleinteilige, geradezu kalligrafisch anmutende Details hinzu. Seine Vorliebe für Fluss-, Küsten- und Hafenansichten scheinen als Sinnbilder von Ankunft und Abfahrt Steisslingers innere Getriebenheit zu reflektieren.

 

"Da ist nichts von der romantisierenden Exotik, der mythenschwangeren Sentimentalität zu spüren, mit der die Nachfolge Gauguins ihren Traum von einer besseren Welt beschwor, auch nicht der wissenschaftliche Blick des Ethnologen, sondern ein höchst kultiviertes Malerauge, das die Optik seiner Zeit zu leuchtend farbenfrohen Bildern von bestrickender Natürlichkeit und improvisierender Leichtigkeit verdichtet."

(Heinrich Geissler, Rede zur Eröffnung der Ausstellung mit Brasilienbildern von Fritz Steisslinger in der Landesgirokasse in Stuttgart am 3. November 1987)