Im Spätsommer 1922 verlässt Fritz Steisslinger zusammen mit seiner Familie Seeburg und zieht, mit Hilfe einer überraschenden Erbschaft, in das von ihm selbst entworfene Haus in Böblingen, in die Nähe der Kunstszene der Landeshauptstadt Stuttgart. Mit diesem zweigeschossigen Haus, das bis in die formalen Einzelheiten des Mauerwerkes aus Sandstein und der Innenausstattung ganz nach seinen eigenen Vorstellungen und Entwürfen gebaut worden war, schuf er sich ein „Denkmal“ in der Art eines Gesamtkunstwerkes, in dem Haus, parkartiger Garten und Wirkungsstätte eine eindrucksvolle Einheit bilden, die sich bis zum heutigen Tag erhalten hat. Den Abschluss des fast wehrhaften, von einem Rundgang umgebenen Baus, bildet ein stumpfwinkliger Giebelbau, in dem sich die Dreiecksformen der Fenster in fein abgestimmten Maßen wiederholen. Darin befand sich Steisslingers Atelier. Die Brunnenfiguren waren in der im Nebengebäude untergebrachten Bildhauerwerkstatt nach Modellen seiner Söhne entstanden. Dieses ungewöhnliche Anwesen auf der Spitze des Tannenbergs lag damals noch weit ab von dem Städtchen Böblingen.
Im neuen Atelier widmet sich Steisslinger großen Figurenbildern und Landschaftsbildern der näheren Umgebung. Im Fokus: die Familienmitglieder, aber auch das Haus und der Garten als neue, eigene Schöpfungen. Daneben entstehen Selbstporträts, die als fragende Selbstvergewisserung im Geiste des Aufbruchs ein neu gewonnenes Selbstbewusstsein zu dokumentieren scheinen.
Die großen in Böblingen geschaffenen Landschaftsgemälde sind leider größtenteils im Zweiten Weltkrieg zerstört worden und nur durch Fotografien überliefert.
Steisslinger beteiligt sich aktiv am Kunstleben der schwäbischen Metropole Stuttgart. Er wird Mitglied der Stuttgarter Sezession und nimmt ab 1926 an deren Ausstellungen teil. Daneben sind seine Werke im Kunsthaus Schaller zu sehen, das in den 1920er-Jahren zu den führenden Kunstgalerien der Region gehörte. In Böblingen vollziehen sich um das Jahr 1924 herum die Trennung von expressionistischen Einflüssen und der Übergang zu einem expressiven Realismus. Wie schon in Seeburg stehen Bildnisse von seiner Frau und den Kindern – 1923 war Sohn Werner auf die Welt gekommen – im Mittelpunkt der Bildthematik: Die Gestalten gewinnen an fester Körperlichkeit. Steisslinger beginnt, sich in Selbstbildnissen zu be- und hinterfragen.
Zwischen 1924 und 1929 befindet sich Steisslinger oft auf Reisen. 1925 verbringt er die Ferien zusammen mit seiner Familie am Bodensee. Die in diesem Jahr entstandenen Landschaftsbilder überzeugen durch ihre Spannweite zwischen dramatischer Farbigkeit und koloristischer Zurückhaltung in lyrisch-tonigen Gemälden und zeugen so von der inzwischen gewonnenen malerischen Souveränität. Im Juni 1925 reist Steisslinger wieder nach Venedig und widmet sich den gleichen Motiven wie fünf Jahre zuvor. 1926 unternimmt er zusammen mit seinem Schwager Eberhard Haasis eine Donaufahrt in einem Faltboot nach Budapest, 1928 macht er eine Rheinreise mit seiner Frau bis zur Moselmündung – und hält seine Reiseeindrücke jeweils in Zeichnungen und Aquarellen fest.